Vorsicht bei Hausbesuchen durch den Tierarzt im eigenen Revier!

Viele  Tierhalter finden es recht praktisch, wenn der Tierarzt oder  Tierheilpraktiker für medizinische Untersuchungen bzw. Behandlungen ins  Haus kommt. Aus  meiner verhaltenstherapeutischen Sicht und Berufserfahrung heraus muß  ich bezügl. Tierarzt-Hausbesuch jedoch zu großer Vorsicht mahnen und  möchte Hunde- und insbesondere Katzenhalter bitten, diese Entscheidung sehr  sorgfältig zu überlegen. Denn ich habe schon viele Tierhalter getroffen,  die diese Entscheidung im Nachhinein zutiefst bereut haben.
Der  ersparte Streß der Autofahrt zur Praxis (wie meist argumentiert wird)  ist nach meinen Erfahrungen ein geringeres Problem und Risiko im  Vergleich zu den möglichen psychischen Langzeitschäden für das betreffende Tier durch ein Trauma im Falle eines unangenehmen Hausbesuchs. 
Mit  "unangenehm" meine ich die Empfindungen aus Sicht des Tieres, wenn das  Tier durch eine (rudel)fremde und somit völlig unberechtigte Person  z.B. in bedrohlicher Weise angestarrt, körperlich bedrängt, angefasst,  massiv festgehalten, im Nacken gegriffen, vielleicht sogar hochgehoben,  auf den Rücken gelegt wird, Schmerz durch Injektion fühlt oder  sonstiges.
Es  liegt in der Natur der Sache, daß für die meisten klinischen  Untersuchungen/Behandlungen mehr oder weniger intensive körperliche  Berührung und Nähe zum Tier erforderlich ist, das Tier  währenddessen möglichst stillhalten soll und daher oft auch gegen seinen  Willen durch eine oder gar mehrere Personen eingefangen  und festgehalten wird. 
Ich  habe sogar erlebt, wie ein Behandler eine panisch flüchtende Katze  durch die Wohnung verfolgte, sie unterm Bett hervorzerren wollte und  dann auch noch verärgert reagierte, als diese sich in ihrer Todesangst  mit Kratzen und Beißen wehrte. Auch die wiederholten, massiven  Beschwichtigungs- und Drohsignale von Hunden werden bei Hausbesuchen  oft vollkommen mißachtet, so daß der Hund sich in seiner Verzweiflung  nur noch mit Beißen verteidigen kann. Wieder ein "böser" Hund mehr, der  zum Zubeißen regelrecht aufgefordert wurde!  
Es  bricht mir jedes Mal fast das Herz, wenn ich von solchen oder ähnlich  brutalen Geschichten höre und dann mit dem Leid dieser traumatisierten  Tiere konfrontiert bin - denn leider ist dies kein Einzelfall. Umso  wichtiger ist mir die Aufklärung zu diesem Thema, über das man sonst nirgends etwas lesen kann. Auch wenn es der Tierärzteschaft im allgemeinen nicht gefällt und ich dafür auch schon angegriffen wurde, wird mich das nicht daran hindern, auch weiterhin meine diesbezügliche fachliche Meinung, Erkenntnisse und Erfahrungen öffentlich mitzuteilen - zum Wohle der Tiere.
Wie hoch  der Anteil an Hausbesuchen in Hamburg ist, bei denen der Behandler mit  dem Tier liebevoll umgeht und es keine psychische Schädigung davonträgt,  weiß ich nicht und werde es wohl auch nie erfahren. Es gibt diese  positiven Fälle natürlich. Aber durch meine Tätigkeit und vielen Kontakte mit Tierhaltern habe  ich logischerweise bisher immer nur mit den Problemfällen zu tun gehabt und erhalte immer wieder entsprechende Negativberichte.
Oft  wird der Halter auch gebeten, sein eigenes Tier während einer  unangenehmen Prozedur gut festzuhalten, was besonders schlimme Auswirkungen für die Vertrauensbeziehung haben kann und insbes.  bei Katzen häufig aggressives oder ängstliches Verhalten gegen den  betreffenden Halter zur Folge hat - wie mir schon zahlreiche  Katzenhalter einige Tage nach solchen Hausbesuchen ganz verzweifelt  berichteten.  
Besonders aus Sicht der sehr revierbezogenen Katzen kann eine respektlose Grenzüberschreitung durch eine fremde Person im eigenen, innersten Revierbereich (=Sicherheit bietende Wohlfühlzone!!) eine gravierende  psychische Erschütterung bis hin zu einer schweren  Traumatisierung darstellen. Für wesensunsichere, sensible und ängstliche  Hunde gilt dasselbe - besonders dann, wenn sie früher schon mal  negative Erfahrungen oder gar Mißhandlung durch Menschen erlebt haben. 
Bei  Hausbesuchen kommt oft noch eine emotional belastete Atmosphäre durch  innere Anspannung, Nervosität oder Angst des anwesenden  Tierhalters und der meist übliche Zeitdruck des Behandlers hinzu - all  diese negativen Energien kann man vor so feinfühligen Lebewesen  niemals verbergen. Sie werden vom Tier ständig wahrgenommen und führen  zu zusätzlicher Verunsicherung und Streßbelastung. 
Wenn sich ein Tier nicht einmal im eigenen vertrauten Heim sicher und geborgen fühlen kann, wo dann?!?
Daher möchte  ich jeden Hunde- und Katzenhalter eindringlich bitten, sich  die Entscheidung für einen Hausbesuch sehr genau zu überlegen. Das Wohlergehen des Tieres und das kostbare Vertrauensband zwischen Mensch und Tier sollten dabei stets an erster Stelle stehen! Vorsorge und Risikominimierung ist wesentlich einfacher als eine mühsame, zeit- und kostenaufwändige Verhaltenstherapie!
Auch  Tiere, die bei jedem fremden Besucher immer sehr vertrauensvoll,  selbstsicher und kontaktsuchend sind, können nach einer oder mehrerer  Negativ-Erfahrungen durchaus diese Eigenschaft mit der Zeit verlieren  und stattdessen zunehmend scheuer, mißtrauischer und im schlimmsten Fall  angstaggressiv gegen Besucher werden.
__________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Hausbesuche durch einen  Tierpsychologen bzw. Tierverhaltenstherapeuten sind normalerweise nicht  mit Streß für Ihr Tier verbunden, weil es hierbei um die reine  Beobachtung des Tierverhaltens geht. Ein Anfassen des Tieres  ist normalerweise nicht notwendig. Ein  speziell ausgebildeter Tierpsychologe kennt sich außerdem mit dem  Kommunikationsverhalten der jeweiligen Tierart besonders gut aus,  wird es vom ersten Augenblick an beim Betreten der Wohnung einsetzen,  laufend auf die Signale des Tieres achten und körpersprachlich so  beantworten, daß das Tier den Therapeuten nicht als Bedrohung empfindet.
Vielmehr  sollte es dem Therapeuten gelingen, das Vertrauen des Tieres zu  gewinnen, so daß es ihn entweder nicht weiter beachtet und sich  entspannt oder irgendwann von sich aus Nasenkontakt anbietet und im  Idealfall sogar Leckerchen aus der Hand nimmt und die Erlaubnis  zum Streicheln oder gfs. für eine Reiki-Behandlung oder sonstige  körperliche Berührung gibt.
Das allerwichtigste bei einem Hausbesuch wäre also, daß der Tierarzt niemals dem Tier einen Kontakt oder gar eine Berührung bzw. Untersuchung aufzwingt! Entscheidend  ist nicht, daß der Behandler möglichst rasch seine geplante Behandlung  innerhalb einer bestimmten Zeit durchführen kann (von lebensbedrohlichen  Zuständen natürlich abgesehen!), sondern einzig und allein, ob das Tier sich dazu bereitfühlt und sein Einverständnis gibt! 
Wie  lange die vertrauensbildende Kennlernphase im Einzelfall dauert (ob 10  Minuten, 2 Stunden oder drei weitere Kurzbesuche), ist für einen  verantwortungsbewußten, tierliebenden Behandler irrelevant, weil  das Wohlbefinden des Tieres für ihn das Wichtigste und Wertvollste ist  und sich Vertrauen niemals erzwingen läßt. Er wird sich immer  individuell und einfühlsam dem jeweiligen Tier anpassen und dessen  Gefühle ohne wenn und aber respektieren.
Mit  der nötigen inneren Bereitschaft lassen sich Hausbesuche durchaus  so organisieren oder notfalls von der Anzahl her begrenzen, daß ein  unvorhersehbarer Zeitaufwand immer mit einkalkuliert wird. Im übrigen  sind viele Tierhalter gerne zu einer höheren Honorarzahlung bereit, wenn  Sie merken, daß der Mehraufwand zum Wohle ihres Lieblings geschieht.  
Unangenehme  körperliche Behandlungen bei Hund und Katze sollten nach meiner  Überzeugung immer außerhalb der eigenen Wohnung bzw. des eigenen Reviers  durchgeführt werden - entweder in der Tierheilpraxis oder in einer anderen Wohnung/einem geeigneten Raum, der außerhalb des eigenen Reviers liegt. 
In  vielen Fällen läßt sich dies mit netten Nachbarn oder Freunden durchaus  organisieren, so daß der Transportweg insbes. für Katzen möglichst kurz  ist. Auch der eigene Kellerraum oder die Garage eignen sich wunderbar  als Behandlungsraum - sofern sauber, gut beleuchtet und ungestört.
Wer  über ein eigenes Haus (vielleicht mit Büro, Lager oder Wäscheraum)  verfügt, könnte auch ca. 6 bis 10 qm von einem Raum abtrennen, zu denen  das Tier keinen Zutritt hat. Da dieser Bereich somit nicht mehr  zum regelmäßig genutzten Revier des Tieres gehört, kann er problemlos  für notwendige Hausbesuche genutzt werden. Im Idealfall erfolgt das  Hinein- und Zurückgehen mit dem Tier zu diesem Bereich über einen  eigenen Eingang von draußen. 
Ein gemeinschaftlicher  Behandlungsraum ließe sich sicherlich auch in den meisten  Mehrfamilienhäusern im Keller einrichten, so daß jeder Tierhalter dieser  Anlage dort bei Bedarf seinen Tierarzt empfangen könnte. Mehr  Verständnis von seiten der Vermieter und Mitbewohner zum Wohle unserer  Haustiere wäre hier wünschenswert!
Manche Untersuchungen und Behandlungen lassen sich auch im Freien oder in einem größeren Auto durchführen - aber bitte nicht im eigenen Auto,  wenn der Hund danach auch weiterhin noch gerne mitfahren soll. Denn in  dem Fall gehört das Auto mit zum Revier des Hundes, welches besonders  von Herdenschutzhunden massiv gegen Fremde verteidigt werden kann.
 Welcher  Behandlungsort sich am besten eignet, hängt immer von den individuellen  Umständen im Einzelfall ab hinsichtlich räumlicher Gegebenheiten,  Haltungsbedingungen, Behandlungsart und Persönlichkeit des Tieres.
Ganz unabhängig vom Behandlungsort empfehle ich jedem  Hunde- und Katzenhalter aber unbedingt, mit seinem Tier regelmäßig die  verschiedenen Arten von Körperkontakt zu trainieren, um es mit  den bedrohlichen oder beängstigenden Berührungen ein wenig vertraut zu  machen - und zwar sehr behutsam, langsam, liebevoll, mit viel  Leckerchen, Freude und entspannter Stimmung. Dabei darf das Tier  niemals überfordert werden, sondern soll es als  abwechslungsreiches Lernspiel empfinden. 
Denn  sich z.B. umklammern, hochheben oder die Pfoten festhalten zu lassen,  auf einem Tisch ruhig zu stehen, einen Halskragen oder Maulkorb relativ  gelassen zu tragen etc, muß jedes Tier erstmal lernen. Sie  als vertraute Bezugsperson können also eine Menge tun und Vorarbeit  leisten, um Ihrem Liebling eine notwendige körperliche Untersuchung bzw.  den Weg zur Praxis so stressfrei wie irgend möglich zu gestalten. Je  mehr Situationen und "seltsame Dinge am Körper" Ihr Tier bereits durch  Sie im Alltag kennengelernt hat (idealerweise ab dem Welpenalter), umso  weniger Angst und Streß hat Ihr Tier, wenn sie tatsächlich einmal nötig  sind. Hier drei passende Buchtipps:

 
           